Gestern war es wieder mal so weit. Wie jeden Abend fahren wir runter ans Meer, machen unseren gewohnten Spaziergang mit unserem Hund. Auf dem Rückweg sehen wir ihn plötzlich vor uns: Hugo.

Mitten auf der Strasse rennt er jedem Auto hinterher. Verzweifelt, völlig aufgelöst... er sucht sein Zuhause, oder seinen Besitzer, der ihn vermutlich dort ausgesetzt hat. Bei jedem Auto das kommt versucht er es... und riskiert dabei sein Leben.


Der erste Rettungsversuch muss abgebrochen werden, da wir Angst haben, ihn vor ein Auto zu hetzen... die natürlich nicht abbremsen, sondern nur laut hupend über die Belästigung protestieren... Also steigen wir wieder in unser Auto ein, und wie erwartet, rennt er auch uns hinterher. Wir fahren in eine ruhige Seitenstrasse, wo keine Gefahr mehr droht und versuchen unser Glück aufs Neue, aber Hugos Angst ist zu gross... Er möchte, kämpft mit sich selber, aber er weiss nicht was ihn erwartet und rennt immer wieder weg.

Also muss unsere Geheimwaffe her... Dee, unser Hund. Wie wenn Dee es gespürt hätte, legt er ausnahmsweise seine Angst vor grösseren, schwarzen Hunden ab und benimmt sich vorbildlich. Hugo sieht Dee... und kommt tatsächlich.

Er ist ein einziges Bündel Angst. Aus jeder Faser seines Körpers kann man es lesen... seine Augen sprechen Bände. Bei jeder Bewegung erwartet er einen Schlag. Sein Körper zeigt einige Narben und sein ganzes Verhalten zeigt, dass er kein gutes Leben hatte... obwohl er definitiv einen Besitzer hatte... denn um seinen Hals herum ist eine Kette.

Wir fahren nach Hause und obwohl es uns im Herzen wehtut, dieses verängstigte Tier noch mehr Stress auszusetzen, muss er erstmal ein Bad bekommen. Hugo stank wie ein Berserker nach Urin und anderen Dingen... Die Flöhe lieferten sich ein Wettrennen auf ihm und sein ganzes Fell lebte...

Das Bad hat ihn zwar geschockt, aber in seiner Angst ist er pointertypisch erstarrt und liess alles über sich ergehen... Er war so erschöpft, dass ihm immer wieder die Augen zufielen, wenn wir ihm eine Pause gönnten.

So nehmen wir also einen sauberen Hugo ins Haus herein. Das erste zaghafte wedeln... die erste Erkenntnis: Die sind ja gar nicht böse, aber immer noch eine extreme Vorsicht und immer noch zuckt er bei der Bewegung zusammen. Noch nie ging Hugo an einer Leine... die ersten Schritte auf dem ersten Spaziergang waren ein hinterherziehen, zureden, auffordern... und nach nur wenigen Minuten läuft Hugo an der Leine, als hätte er nie etwas anderes getan. Kein ziehen, immer wieder schaut er an uns hoch, fragend, unsicher, aber doch erleichtert.

Die erste Nacht in der Box ist überstanden. Kein Mucks, kein Ton... er nimmt alles hin. Dankbar und mehr und mehr entspannt liegt er jetzt draussen auf der Veranda, versucht zu den Arbeitern, die gerade hier sind Kontakt aufzunehmen und wedelt mehr und mehr. Sogar ein Spielzeug hat er schon entdeckt, auch wenn er noch nicht weiss, was er damit anfangen soll. Er trägt es zu unserem Hund und haut mit der Pfote immer wieder Dee auf den Kopf, der uns wiederum verständnislos anschaut und versucht Hugo zu zeigen, was so ein Spielzeug ist...

Es treibt mir immer wieder die Tränen in die Augen, solche Entwicklungen zu sehen. Wie schnell so ein Hund Vertrauen fasst. Wie schnell er bemerkt, dass es auch gute Menschen gibt und wie schnell er versucht, alles richtig zu machen. Auch Hugo wird erstmal denken, dass sein Name: Nein-Hugo ist... aber immerhin hat er schon erkannt, was Nein bedeutet... nach nichtmal 24 Stunden. ;-)

Nun werden erstmal zwei Tage vergehen, dann stellen wir ihn Dr. Maria vor, machen Bluttests, hoffen und beten, dass alles in Ordnung ist... dann geht es leider seiner Männlichkeit an den Kragen... aber wenn alles gut ist, hoffen wir, dass sich auch für ihn ein tolles Zuhause finden lässt.

Ins Tierheim muss er nicht. Seine Chancen dort sind aussichtslos... Schwarz, männlich, Pointer... das alleine reicht aus, um seine Aussicht auf ein Zuhause auf praktisch 0 zu reduzieren.

Update 16.7.2012
So, nun ist es amtlich, Hugo ist gesund. Jedenfalls sind die Bluttests in Ordnung. Er muss natürlich noch etwas Fett auf die Rippen bekommen, aber alles ist okay.

Hugo zeigt mehr und mehr Lebensfreude und wir haben festgestellt, dass er Wasser liebt. Er war sicherlich zum erstenmal am Wasser und hat sich langsam an das neue Element herangetastet um dann irgendwann mit einem riesigen Satz reinzuhüpfen.

Er ist auch ein Tauchhund, denn immer und immer wieder steckt er seinen ganzen Kopf unter Wasser... er kam völlig aus sich heraus und es war wunderschön zu sehen.

Seine Aengste werden weniger und weniger, dafür werden meine wohl grösser, denn heute hatte ich den Schock meines Lebens: Ich fahre zum TA, binde Hugo draussen an und bin drinnen mit einigen Freunden am quatschen, plötzlich ist Hugo weg. Samt Leine, einfach weg... Als die Aufregung ein wenig verklungen war meinte die Tierärztin, sie hätte da einen Verdacht, und tatsächlich. Ihre kleine Tochter hat sich Hugo einfach geschnappt und ging mit ihm ins Wohnzimmer um ihm ihre Spielsachen zu zeigen... na toll, jetzt wissen wir wenigstens, dass auch Kinder für Hugo überhaupt kein Problem sind. ;-)

Ich werde versuchen hier immer mal wieder ein Update über seine Entwicklung zu schreiben und hoffe, dass sich jemand in diese schwarze Schönheit verliebt.

S. von Büren