Fergal 4Vor genau vier Wochen, am 28. Mai holte ich unseren Fergal aus Zypern ab. Fergal lebte seit fast acht Jahren im Tierheim und kannte nur das PAWS. Es war sein Zuhause und er hatte sich arrangiert. Es gab nur wenige Menschen, zu denen er in all diesen Jahren ein wenig Vertrauen gefasst hatte. In der Regel machte er einen großen Bogen, sobald Menschen in die Nähe kamen, versuchte zu fliehen und zeigte Stresszeichen, wie hektisches Maulschlecken. Leinte man ihn an, um ihm aus dem Zwinger zu bringen, versuchte er sich zu wehren. Ganz zaghaft zwar und völlig ohne Aggression, setzte er sich auf die Hinterbeine und versuchte mit den Vorderpfoten die Leine vom Hals zu schieben.


Geri, seine vertraute "Betreuerin" berichtete mir, dass er früher auch gerne und ohne Leine mit auf Spaziergänge kam. Irgendwann war das plötzlich und ohne ersichtlichen Grund nicht mehr möglich. Sobald man ihn aus dem Zwinger nahm, wollte er zurück in seine sichere Umgebung.

So auch lernte ich ihn im März kennen, in der kurzen Zeit meines Besuches war eine beiderseits freundlich empfundene Kontaktaufnahme nicht möglich. Wenn er auch von Tag zu Tag offener wurde und tatsächlich in meine Richtung kam, wenn ich außerhalb des Zwingers am Zaun stand, seine Freundin wurde ich nicht. Aber ich entdeckte eine große Neugier, neben der riesigen Angst und der daraus resultierenden Vorsicht in seinem Verhalten.

Für uns war klar, er ist eine Seele von Hund und wir würden ihm gern den Rest seines Lebens das Leben in unserer Familie bieten. Keine Betonbetten mehr, im kalten Winter ein wärmendes, im heißen Sommer ein kühlendes Haus. Nicht mehr täglich das Gebelle und den Lärm, den mehr als 150 Hunde um ihn herum verursachen, wenn er mag kuscheln mit seinen Menschen und tägliche gemeinsame Spaziergänge im kleinen Rudel. Und auch die gesundheitliche Versorgung über den im Tierschutz möglichen Rahmen hinaus, kann für einen alternden Hund wichtig werden.

Doch bevor er ein Leben in Freiheit genießen könnte, würde er eine Zeit sehr großen Stress verdauen müssen, das war uns klar.
Stellt Euch vor, Ihr würdet aus Eurem Zuhause gerissen, aus der sicheren kleinen Welt, die einzige, die Ihr kennt. Betten, Haus und Tierarzt haben für Euch keine Bedeutung, denn Ihr kennt es ja nicht und wisst schon gar nicht, was Euch erwartet. Da ist nur eine große Angst vor allem was fremd ist.
Und genauso fühlte sich wahrscheinlich Fergal seit er seine Reise angetreten hat.

Fergal2Wir hatten keine zeitlichen Erwartungen, wann sich was in seinem Verhalten ändern würde. Womit wir jedoch überhaupt nicht gerechnet hatten, dass er schon nach wenigen Tagen Kuscheleinheiten einforderte und wie schnell er zumindest uns, als "seinen" neuen Menschen Vertrauen schenkte. Die erste Nacht verbrachte er noch in seiner Flugbox, freiwillig hätte er die Box auch am nächsten Morgen nicht verlassen. Wir halfen ein wenig nach, öffneten das Dach und weil alles Locken nichts half trugen wir ihn aus der Box. Joseph und Fine und auch keine der Katzen nahmen Notiz von ihm. Wir leinten Fergal an und machten eine erste kleine Runde durch den Garten. Schnell schlossen sich auch Fine und Joseph an und untersuchten sehr genau Fergals Spur. So hektisch dieser erste Lauf war, drehten wir noch am gleichen Tag die ersten Runden in der näheren Umgebung. Und das taten wir von da an jeden Tag. Immer den gleichen Weg, damit er Sicherheit aufbauen kann.
Wir konnten täglich Verhaltensveränderungen erkennen, Fergal taute regelrecht auf. Im Haus fühlte er sich ganz schnell sicher und probierte aus. Die Treppen lief er am ersten Tag hoch, runter traute er sich nicht, wir leinten ihn an und führten ihn, danach war das kein Problem mehr. In den nächsten Tagen erweiterten wir unsere Runden um einen eingezäunten Hundewald. Die ersten Tage konnte er seine Umwelt gar nicht recht wahrnehmen. Besonders, wenn er Hundegebell hörte setzte die Flucht ein. Schon nach einer Woche wurde er ein wenig ruhiger, konnte auch mal ein Geschäft erledigen und lief auch immer mal wieder entspannt und neugierig an der Leine. Die ersten Freilaufversuche endeten damit, dass Fergal zur Pforte zurücklief und an der Pforte aufstieg und kratzte.


Fergal 6Als wir eines Abends ganz alleine im Auslaufgebiet waren, ließen wir ihn frei und er lief die Runden mit uns mit, keine Flucht mehr zur Pforte und der Beginn seine Umwelt zu entdecken. Seither läuft er im sicheren Freilaugebiet genauso fröhlich ohne Leine, wie Joseph und Fine auch.
Es gab in den ersten Nächten auch ein paar Schäden im Haus – er begann Decken und um die Hundebetten stehende Gegenstände zu zerstören. Zweimal konnte ich ihn am Tage dabei beobachten und mit einem scharfen „Nein“ davon abhalten. Danach hat er es bis heute nicht mehr getan. Die gemütlichen Plätze im Haus hat er alle schnell entdeckt und erobert. Besuch gegenüber ist er noch sehr ängstlich und zurückhaltend. Bei den Spaziergängen schnuppert er auch schon mal vorsichtig einen fremden Menschen an.
Heute würde ich ihn nicht mehr als Angsthund bezeichnen. Er ist nicht schreckhaft, er hat keinerlei Panikanzeichen mehr und die anfänglichen Fluchtversuche gibt es nicht mehr. Dennoch ist er noch ein vorsichtiger Hund und in neuem Umfeld oder neuen Situationen auch verunsichert. Aber was sind auch vier Wochen „Training im neuen Leben“ gegen die Gewohnheiten bzw. das Nichterleben in acht Jahren Tierheim.

Fergal ist jetzt schon ein toller Begleiter, der gerne spazieren läuft. Ein liebevoller und anspruchsloser Hund, der sich über jede Zuwendung freut und da er bisher keinerlei jagdliches Interesse zeigt, wird er uns sicherlich auch bald ohne Leine begleiten können.Fergal, einer der vielen Hunde, die jahrelang übersehen wurden – für uns der Traumhund, der unser Rudel komplettiert.