Bericht von Renate Münter
Ich, Renate aus Köln, zwar ohne Zypernhund, aber mit einem großen Herzen für Zypernhunde und ihre Beschützer vor Ort, war nun zum zweiten Mal auf Zypern, um im Rahmen meiner Möglichkeiten mitzuhelfen. Und meine „Möglichkeiten" waren bei diesem Einsatz deutlich größer als im Jahr zuvor, als ich quasi 5 Minuten nach Ankunft bei Barbara im Dunkeln so übel gestürzt war, dass ich für den Rest der Zeit – zumindest was den körperlichen Einsatz anging – buchstäblich lahm gelegt war. Diesmal gab es keine Blessuren, die körperlicher Arbeit entgegen gestanden hätten, und dennoch kam so manches wieder anders als geplant. Aber der Reihe nach:

Montag, 07.03.
Ausgerechnet am Rosenmontag (= höchster Feiertag in Köln) fliege ich los bei strahlend schönem Wetter zum Tierschutzeinsatz nach Zypern. Susi holt mich vom Flughafen in Larnaca ab, und los geht's nach Limassol ins Büro von Barbara. Die Begrüßung hat es in sich: die ganze Palette von hanseatisch (Barbara) bis karnevalistisch (Barbaras Hunde) erwartet mich. Spike springt begeistert an mir hoch (aua, tut doch weh!), Reni trippelt von einem Vorderbein auf's andere und lässt ihren Freudenheuler ertönen und Oskar, der Hund der eher leisen Töne, wedelt stumm mit dem ganzen Körper. Als ich es endlich schaffe, mich auf einen Stuhl fallen zu lassen, wollen alle gleichzeitig auf den Schoß! Die ausgelassene Wiedersehensfreude der Vierbeiner treibt mir das erste Mal die Tränen in die Augen. Barbara muss noch arbeiten, die Hundis werden in Susis Auto geladen, und weiter geht es nachhause - natürlich mit Zwischenstop am Kiosk (weil Supermarkt wegen Feiertag geschlossen), um dem notorischen Leerstand in Barbaras Kühlschrank entgegenzuwirken. Wie man sich täuschen kann! Der Kühlschrank belehrt uns, dass Barbara inzwischen doch ab und an wenigstens ein belegtes Brot isst. Der Abend vergeht wie im Fluge mit Klönen und Sortieren der Dinge, die die Welt bewegen. Und natürlich gibt es für die Hundis noch das von mir schon im letzten Jahr eingeführte Ritual. Die mitgebrachte Leckerli-Box habe ich auf dem Kühlschrank deponiert. Die Hundis sitzen davor, fixieren abwechselnd den magischen Punkt auf dem Kühlschrank und mich. „Kamelle!" rufen ihre Augen. Natürlich gibt's Kamelle. Als ich im Bett liege, bedauere ich keine Sekunde, den etwas anderen Rosenmontag gefeiert zu haben. Zufrieden und glücklich, wieder hier zu sein, schlafe ich ein.

Dienstag, 08.03.
Geweckt werde ich vom üblichen morgendlichen Radau: Spike springt mit Karacho auf die Türklinke, erst in Barbaras Zimmer, dann bei der Haustür, und der Rest der Meute stürmt freudig hinterher. Der Duft von „Existenzialistenfrühstück" (Kaffee + Zigarette) zieht zu mir herüber und mich aus dem Bett. Danach wird richtig gefrühstückt, erst die Hunde, dann die Menschen. Barbara und Hunde fahren ins Büro, Susi und ich zum Julia Shelter. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen. Die Veränderungen während des letzten Jahres sind überwältigend: der neue Zaun, der den Tierheimhunden einen Riesenauslauf im Grünen ermöglicht, die neuen Bäume, die den Pens Schatten spenden, der rote Container mit himmelblauen Fenstern (erinnert irgendwie an Dänemark)...Und dann das Office: Wo letztes Jahr noch ein buntes Allerlei von Hundefutter und Medizinschrank über Generator bis Baumaterial und Werkzeug herrschte, ist das Office heute ein aufgeräumtes Raumwunder.
Da wir an diesem Morgen die Ersten sind, gehen wir erst einmal von Pen zu Pen, begrüßen die Hunde durch die Gitter, und Susi schließt alle Türen auf. Mir sitzt ein dicker Kloß im Hals, als ich meine alten Freunde wiedersehe und die, die ich noch nicht kenne. Fast alle drängen sich an die Gitter, bellen, wedeln, betteln um Aufmerksamkeit. Ich bin froh, mich nützlich zu machen mit Pen-Putzen, wegen des langen Wochenendes ein lohnendes, schaufelfüllendes Unterfangen. Die für diesen Job hilfreiche Atemtechnik habe ich schnell wieder drauf, und das Verteilen von Streicheleinheiten sowieso.
Und dann kommen Shami und Sunnji. Nachdem wir einen Wiedersehenscapuccino getrunken haben, wird die heutige Tagesaufgabe vorbereitet: Alle 70 Hunde sollen entwurmt werden. Dosen mit Nassfutter werden geöffnet, der Inhalt in maulgerechte Häppchen geschnitten, mit Tabletten in unterschiedlicher Dosierung gespickt und los geht's von Pen zu Pen. Shami, Susi und ich werden von den meisten Penbewohnern stürmisch begrüßt und die Häppchen werden uns freudig aus den Händen geschlabbert. Nur bei einigen muss Shami etwas nachhelfen, um auch sie davon zu überzeugen, dass das Häppchen in absolut jedes Mäulchen muss. Beim vorletzten Pen fragen mich die beiden (mit ziemlich breitem Grinsen), ob ich da auch wirklich mit rein will. Klar doch, Kneifen gilt nicht! Hinter Susi und Shami schiebe ich mich in den Pen, das Tablett in Kellnermanier auf dem hochgestreckten Arm balancierend. Lautes Getöse um uns herum, und als ich die 2 Rottweiler erblicke, kriege ich leichte Schnappatmung. Plötzlich stehe ich Auge in Auge mit Boris, dem Riesen. Ich, wie die Freiheitsstatue (nur dass die Fackel ein Tablett ist) und Boris, locker 50 Kilo Lebendgewicht, die Pfoten auf meinen Schultern, die Schnauze vor meinem Gesicht. „Schau mir in die Augen, Kleines", fordert er mich auf. Meine Begleiter lachen sich derweilen schlapp. Nach einer gefühlten Ewigkeit wird Boris zur Ordnung gerufen, nimmt die Pfoten von mir und steht dann brav, wedelnd von der Schwanzspitze bis zur Schnauze, um ganz gesittet sein Häppchen entgegen zu nehmen. Ich bin trotzdem nicht unfroh, den Pen wieder verlassen zu können.
Zurück im Office finden wir muntere Besucher vor: Umba und Wolfi toben um die Wette über Tisch und Bänke. Der dicke Chester, den seine Arthrose plagt, findet das alles gar nicht lustig und macht den beiden Jungspunden nicht sehr freundlich klar, dass er bitteschön doch einfach nur hier liegen möchte. Umba und Wolfi machen draußen weiter mit ihrer wilden Hatz. Kaum zu glauben, dass der eine (Wolfi) noch vor kurzem ein fast verhungertes, vor Angst erstarrtes Bündel Haut und Knochen war und der andere (Umba) sich wegen seiner alten, inoperablen Verletzungen eigentlich nur mit Mühe und unter Schmerzen fortbewegen können dürfte. Wenn man ihn rennen und toben sieht, mag man nicht fassen, dass die niederschmetternden Röntgenbilder zu diesem Ausbund an Lebensfreude und Energie gehören. Umba, Du lieber Kuschelbär, ich wünsche Dir so sehr, dass Du Deine Menschen findest, die Dich trotz Deiner Behinderung annehmen!!
Ein Blick nach draußen zeigt uns einen Himmel, der nichts Gutes verheißt. Wind kommt auf, die eben noch wild tobenden Hunde suchen wieder Zuflucht bei uns im Office, drücken sich an uns, und dann bricht auch schon das Unwetter los. Der Regen ist wie eine undurchsichtige Wand, er prasselt auf das Wellblechdach, verständigen können wir uns gegen den Lärm nur schreiend. Die Hundis in ihren Zwingern sind mucksmäuschenstill. Innerhalb kürzester Zeit hat sich der Weg vor den Pens in einen Bach verwandelt, und was vorher harter, staubiger Boden war, ist zu einem zähen, klebrigen Matsch geworden, der sich an die Schuhsohlen heftet und bei jedem Schritt einen dickeren Klumpen bildet. Susi wird unruhig, es wird Zeit, aufzubrechen. Aber da gibt es noch ein Problem. Susi hat bei ihrem neuen gebrauchten Superauto noch nie das Allradgetriebe ausprobiert, und ohne das haben wir keine Chance, in dieser Matsche den steilen Berg heraufzukommen. Shami weiß, wie es geht, wir starten, vor dem Berg legt Susi den Allradgang ein, Stoßgebet, und das Auto klettert brav den Berg hinauf. Wir lachen und freuen uns, dass die Räder mit klackernden Geräuschen nach und nach die dicke Schlammschicht von sich werfen.
Bevor es nachhause geht, sammeln wir noch schnell im Büro Barbaras Hunde ein und kaufen auf dem Weg etwas für's Abendessen. Wie schön ist es doch, in eine geheizte Wohnung zu kommen, die nassen, schmutzigen Klamotten auszuziehen und sich unter die warme Dusche zu stellen. Nach dem Motto „Nudeln machen glücklich" bereiten wir Macaroni Amatriciana mit Salat vor und warten mit knurrenden Mägen auf Barbaras Erscheinen.

Mittwoch, 09.03.
Nach unruhiger Nacht mit viel Wind und Regen fahren wir zu Dritt ins Paws-Shelter. Barbara und Susi wollen mit der Tierheimleitung ein für Anfang Mai geplantes Event besprechen, bei dem sich die Tierschutzorganisationen aus dem Raum Limassol/Paphos einer breiten Öffentlichkeit vorstellen und für ihre Arbeit werben wollen.
Bisher hatte ich auf Zypern nur das Julia Shelter kennengelernt, das mit einfachsten Mitteln zurechtkommen muss. Was das äußere Erscheinungsbild angeht, ist das Paws dagegen echte Luxusklasse. Auch wenn ich von der Anlage an sich beeindruckt bin, beim Gang durch die Gebäude sehe ich den gleichen Ausdruck in den Hundeaugen wie bei Julia. Auch hier kommen sie alle an die Gitter, drücken ihre Nasen durch die kleinste Öffnung und kratzen mit den Pfoten an verschlossenen Türen. Fast tränenblind gehe ich von Abteil zu Abteil, versuche, durch die Gitter zu streicheln, Ohren zu kraulen, mit ihnen Zwiesprache zu halten. Ich fühle mich elend und irgendwie schuldig. Da hilft es wenig, wenn der Verstand sagt, hier sind sie gut versorgt, sind sie in Sicherheit, und, verglichen mit dem Leben vorher, ist hier für die meisten doch die Vorstufe zum Paradies.
Wir fahren zurück nach Limassol, Barbara muss ins Büro, Susi und ich fahren ins Shelter und gönnen uns etwas Schönes: Peggy, Pepsie und Keira werden mit Bürste und Halsband hübsch gemacht und auf den Catwalk geführt. Das sieht so aus: Ich habe die Hunde an der Leine, bemühe mich, sie mit ihrer telegenen Seite dort hinzubugsieren, wo der Hintergrund nett anzuschauen ist (z.B. grünes Gras und möglichst ein paar Blumen), während Susi mit ihrer Kamera am Boden kauert und unsägliche Töne von sich gibt, um Hundis Aufmerksamkeit zu erregen. Höchste Konzentration von allen Seiten ist gefordert, aber wie es so geht beim Fotoshooting: Mal stimmt der Ausdruck des Models nicht, mal versemmelt die Assistentin, weil sie sich fast vor Lachen in die Hose macht, und mal fällt die Fotografin selbst rücklings ins grüne Gras. Auf jeden Fall hat es den Hunden und uns einen Riesenspaß gemacht. Nun sind wir alle gespannt auf die Ergebnisse. Wer wird Julias Next Topmodel?
Wir müssen wieder schnell zusammenpacken, weil es anfängt zu regnen. Auf dem Nachhauseweg holen wir die Hunde im Büro ab, fahren in den Supermarkt und bereiten uns auf den Abend vor. Barbara ruft gen 21 Uhr an, dass sie im Büro noch eine Weile braucht und dass wir mit dem Essen nicht auf sie warten sollen. Um 10 Minuten vor Mitternacht kommt sie endlich, völlig erschöpft von dem langen Arbeitstag. Ich stelle mich noch mal an den Herd, und nach Barbaras Nachtmahl schleichen wir uns in die Betten.

Donnerstag, 10.03.
Susi und ich machen uns auf den Weg zum Shelter. Es ist lausig kalt. Das Thermometer im Auto zeigt eine Außentemperatur von 4 Grad Celsius. Wir sehen, dass es im Troodos-Gebirge in der Nacht bis weit hinunter geschneit hat (46 cm Neuschnee, wie wir später erfuhren). Auf dem Weg machen wir Halt bei einem kleinen Handwerksladen. Ohne große Hoffnung frage ich nach Gummistiefeln. Selbstverständlich haben wir Stiefel, welche Größe darf es denn sein? Hochbeglückt verlasse ich den Laden mit einem Paar neuer Stiefel für 8,40 €! Ab jetzt kann mir die Matsche im Shelter egal sein!!!
Die heutige Aufgabe für uns ist, Umba und Keira zu Dr. Lambros zu bringen. Die Kastration bzw. Sterilisation der beiden steht an. Shami hat die beiden schon in einem Pen isoliert. Doch bevor wir uns auf den Weg machen, gehen wir zur Schmusestunde in den „Wuselhundepen" – der Pen mit ganz vielen Zypernpudelmischlingen, einer süßer als der andere. Wir hocken uns auf den Boden und warten erst einmal, was passiert. Im Nu klettern sie auf uns herum. Vor allem Luca, der mit seinem geschorenen Fell aussieht wie ein weißes Lämmchen, kann gar nicht genug bekommen. Während ich die Schmuser weiter beglücke, widmet sich Susi den Ängstlichen, wie z.B. Shy (englisch für schüchtern). Irgendwann hat sie Shy auf dem Arm, und auch Whiskey lässt sich anfassen und streicheln. Am liebsten würde ich mich gar nicht trennen. Mein Gesicht ist feucht von Hundeküssen und meine Jacke sieht aus wie aus dem Gulli gezogen. Aber die Pflicht ruft: Umba und Keira werden auf der Ladefläche verstaut (sehr komfortabel mit Teppichboden) und machen es sich während der Fahrt bequem. Ihr Verhalten, auch in der Tierarztpraxis, ist mustergültig!
Da wir abends noch einen „externen Termin" haben, fahren wir auf direktem Wege nach Hause, und auch Barbara trifft bald nach uns ein. Sie legt sich nach dem harten gestrigen Arbeitstag noch ein Stündchen auf's Ohr, bevor es losgeht. Drei wohl gestylte Mädels schwingen sich ins Auto und fahren nach Limassol. Wieder geht es um das Tierschutzevent im Mai, diesmal in großer Runde der Organisatoren. Ideen werden gesammelt, Vorschläge gemacht, Termine gesetzt, Aufgaben verteilt – richtig professionell! Ich kann zwar wenig beitragen bzw. mitreden, aber ich freue mich sehr, bei dieser Gelegenheit Julia wiederzusehen.
Wieder zuhause werden wir von den Hunden begrüßt, als ob wir tagelang weggewesen wären. Heute Nacht „überlässt" Barbara mir Oskar, der sich dann auch wie selbstverständlich ankuschelt. Ich fühle mich wohl und schlafe mit Oskar wie ein Murmeltier.

Freitag, 11.03.
Heute ist Hunde-Reisetag. Um 14 Uhr müssen wir am Flughafen sein, und bis dahin in Paphos bei Tierärztin Dr. Maria, die sich als Flughunde-Sammelstelle zur Verfügung gestellt hat, 4 Hunde abgeholt haben. Auf dem Weg will mir Susi noch ein besonderes Katzenschutz-Projekt zeigen. Im Columbia-Beach Resort werden auf Kosten des Eigentümers streunende Katzen eingefangen, sterilisiert und kastriert, medizinisch versorgt, durch Kerbe im Ohr gekennzeichnet und dann wieder frei gelassen. Die tägliche Versorgung der Katzen erfolgt in einem Futterhäuschen außerhalb des Restaurantbereiches. Wir besichtigen das Hotel und bewundern die zahlreichen, wohlgenährten und gesunden Katzen, die auf Liegen dösen oder sich im Olivenbaum hockend putzen. Ein wunderschöner Anblick und ein Vorzeigebeispiel für gelungenen, nachhaltigen Tierschutz im Interesse von Mensch und Tier. Als wir uns auf der Terrasse niederlassen, um uns einen Kaffee zu gönnen und das tolle Ambiente zu genießen, bricht die Sonne durch die Wolken.
Wir fahren über die alte Küstenstraße in Richtung Paphos durch wunderschöne, von der Sonne beschienene Gegend. Der Ginster leuchtet knatschgelb, das Meer ist tiefblau, und am Felsen der Aphrodite warten ein paar Wanderer darauf, dass sie vielleicht noch einmal dem Meer entsteigt.
Wir können nicht warten. Wir haben Termine! In der Praxis steht Dr. Maria am Operationstisch. Eine Katze liegt dort auf dem Rücken in Narkose, die Läufe festgebunden. Ich fasse mir ein Herz und frage, ob ich herantreten darf. Dr. Maria ist einverstanden. Durch den großen Schnitt sehe ich die winzigen Organe der Katze, alles erstaunlich unblutig! Dr. Maria erzählt, dass die Katze, die sie von einer Futterstelle kennt, angefahren wurde und schwere innere Verletzungen hat. Sie sondiert und näht zerrissenes Gewebe mit winzigen Stichen. Zum Schluss kommt die Hautnaht, so fein und sauber, dass man sie kaum sieht. Die Katze bekommt noch einige Medikamente gespritzt und wird vorsichtig in eine Box gelegt, wo sie in Ruhe aufwachen kann. Ich bin total beeindruckt von Dr. Marias Fähigkeiten und dankbar, was ich hier in meiner Tierschutzwoche auf Zypern alles erleben darf.
Über die anderen Erlebnisse des Tages hat Susi ja bereits berichtet Tierschutzalltag. 10 Hunde werden ausgeflogen und zwei Fundhunde (Jesco und Chica) gehen erst einmal für ein paar Tage in Pension zu Dr. Lambros. Ich verabschiede mich von ihm bis zum nächsten Jahr. Mit 2 dicken Tüten Orangen aus dem tierärztlichen Garten beschenkt machen wir uns auf den Heimweg. Wir sind beide aufgewühlt, auch wegen der Sorge, welches Ergebnis wohl Jescos Leishmaniosetest haben wird. Wir machen noch kurz Halt am Meer, der Wind pustet ungute Gedanken aus dem Hirn, und so geläutert fahren wir nach Hause, um das Abendessen zu bereiten und auf Barbara zu warten.

Samstag, 12.03.
Wir brechen früh auf zum Julia Shelter. Die Hunde müssen alleine zu Hause bleiben. Angesagt ist heute Ausspritzen der Pens mit Antiparasitenmittel. Dafür müssen die Penbewohner umquartiert werden, bevor sie nach einer Wartezeit wieder in ihren ursprünglichen Zwinger gesetzt werden. Als wir eintreffen, ist bereits eine große Helferschar da: Natürlich Shami und Sunnji, Waltraut, Theodora und Achim, der Profi der Parasiten-Ex-Spritze. Waltraut meldet, dass Tofy eine blutende Wunde hat. In der Tat, die arme Maus hat ein kreisrundes Loch in der Flanke, nicht sehr tief, aber doch so, dass die Wunde genäht werden muss. Wir suchen den Pen ab, um herauszufinden, wie und wo Tofy sich diese Verletzung zugezogen hat. Wir finden nur einen Plastikdübel, der aus der Wand heraussteht und sofort herausgezogen wird. Anschließend wird Tofy in Susis Auto geladen, und ab geht es mal wieder zu Dr. Lambros. Er lacht, als er uns sieht „You again?"
Tofy benimmt sich, als sei für sie der Arztbesuch die normalste Sache der Welt. Sie sitzt auf dem Tisch, lässt sich, ohne mit der Wimper zu zucken, die Braunüle legen und sinkt, als die Narkose zu wirken beginnt, in Susis Armen langsam auf die Seite. Wir müssen den Operationssaal verlassen. Kurze Zeit später werden wir wieder hereingerufen. Dr. Lambros hat die Wunde fein vernäht, Tofy bekommt noch ein Antibiotikum und ein Aufweckmittel gespritzt und wird dann von Dr. Lambros persönlich zum Auto getragen, wo sie in Ruhe aufwachen soll.
Susi sammelt derweil den zwischenzeitlich kastrierten Umba ein. Keira bleibt noch übers Wochenende in der Klinik, um sich weiter zu erholen. Umba, trotz fehlender Teile ganz der alte, freut sich wie ein Schneekönig und hilft auf seine unnachahmliche Art Tofy beim Wachwerden. Gemeinsam hocken sie auf der Ladefläche und warten, dass es endlich losgeht. Aber wir müssen noch ein paar Minuten warten, bis der Leishmaniose-Test von Jesco abgeschlossen ist. Als wir das lächelnde Gesicht von Dr. Lambros sehen, wissen wir, dass er uns gute Nachricht bringt. Ergebnis negativ!! Ich frage, ob ich ihn zum Dank mal kurz drücken darf. Ich darf!
Wieder im Shelter angekommen, stellen wir fest, dass alle Arbeiten schon erledigt sind. Der Schwund am Marmorkuchen, den wir morgens beim Bäcker gekauft hatten, ist eindrucksvoll, aber natürlich bekommen auch wir noch ein Stückchen ab. Alle packen ihre Sachen zusammen, während ich noch einmal von Pen zu Pen gehe, um mich von den Hundis zu verabschieden bis zum nächsten Mal. Ich umarme Shami und Sunnji zum Abschied, und dann steigen wir ins Auto. Ich erfahre, dass es noch zum Sirius Shelter geht.
Ich habe schon jetzt mein Tun mit meinen Emotionen, und wappne mich innerlich gegen das, was nun auf mich zukommt. Gehört und gelesen habe ich viel über das Sirius, aber ich war bisher nie da. Der Gestank und der Lärm in dieser grauenvollen Wellblechhalle, die trotz strahlendem Sonnenschein halbdunkel ist, hauen mich fast um und erzeugen Würgereiz. Am liebsten würde ich auf der Stelle flüchten. Stattdessen gehe ich von Zwinger zu Zwinger, strecke meine Hände durch die Gitter und berühre jeden Körper, der sich mir entgegen drängt. Ich empfinde Trauer, Scham und Wut gleichzeitig. Der Begriff Schande setzt sich in meinem Kopf fest. Als ich die Halle verlasse, verkrieche ich mich erstmal hinter Susis Auto, um mich auszuheulen.
Dann fahren wir nachhause. Barbaras Rasselbande empfängt uns völlig euphorisch. Zur Belohnung für die „armen, vernachlässigten Hunde" gibt es einen langen Spaziergang, den wir alle genießen. Die blühende Natur und die schöne Aussicht heben meine Stimmung wieder.

Sonntag, den 13.03.
Nach dem Frühstück verlässt uns Susi. Auf dem Rückweg nachhause holt sie Jesco und Chica bei Dr. Lambros ab und bringt sie ins Paws-Shelter. So gut, wie sie es dort auch haben mögen, ich wünsche beiden, dass sie dort nur eine Übergangszeit verbringen, bis auch sie ihren Menschen gefunden haben.
Barbara nutzt den Sonntag, um sich endlich etwas zu erholen. Mittags brechen wir auf zu einem Spaziergang am Meer. Während wir in Richtung Strand fahren, klingelt Barbaras Handy. Shami ist dran und berichtet, dass über Nacht eine Jagdhündin, deren Gesäuge mit Milch gefüllt ist, über den Zaun geworfen wurde. Obwohl er und Sunnji das ganze Gelände abgesucht haben, haben sie keine Welpen gefunden. Ich bewundere Barbara. Eine Hand am Lenkrad, die andere am Telefon ruft sie Gott und die Welt an, ob es irgendwo Welpen gibt, die Muttermilch brauchen. Doch leider ohne Erfolg. Die unzähligen Welpen, die wir z.B. bei Paws und im Sirius gesehen haben, sind alle schon entwöhnt, und neue, kleinere sind über Nacht nicht hinzugekommen. So wird nichts anderes übrig bleiben, als die Hündin baldmöglichst zu Dr. Lambros zu bringen, damit er den Milchfluss stoppt.
Drei Stunden Strandspaziergang fordern uns. Reni und Amanda, ein Patenhund von Barbara, den wir noch schnell abgeholt hatten, toben im Wasser, apportieren Stöckchen und eine Holzscheibe aus den Wellen, kriegen gar nicht genug. Spike hasst Wasser und blöde Wasserspiele und grantelt lieber fremde Hunde an, Oskar trabt einfach nur freundlich nebenher. Der Rückweg zum Auto zieht sich. Nach diesem langen Marsch haben wir uns was Gutes verdient. Barbara fährt bei der größten Konditorei vorbei, die ich je gesehen habe. Aus der Riesenauswahl suchen wir uns jede zwei Törtchen aus. YamYam!! Aber nach dem ganzen Süßkram haben wir irgendwann auch wieder Lust auf lecker deftiges Abendessen.
So ein letzter Abend hat für mich immer etwas Melancholisches. Wir reden nicht viel, gucken Tatort und gehen frühzeitig schlafen. Obwohl Oskar neben mir schlummert und alles gut ist, liege ich stundenlang wach.

Montag, den 14.03.
Barbara fährt früh ins Büro, nimmt Spike und Reni mit. Oskar bleibt bei mir. Gemeinsam warten wir auf Susi, die mit meinem Flugpatenkind Gem gegen 10 Uhr kommen und uns nach Larnaca bringen wird. Als wir dort anlanden, hat Susi nach dieser einen Woche sage und schreib 700 KM mehr auf dem Tacho. Die weiteren Ereignisse des Tages habe ich schon im Ankunftsbericht beschrieben.

Nachlese:
Neben den oben beschriebenen kleinen und großen Ereignissen dieser Woche gab es natürlich auch die Katastrophenbilder aus Japan und die Sorge um Jango.
Meinem Patenhund Jango geht es schon seit einiger Zeit nicht gut. Seine Hüften und das Alter machen ihm zu schaffen. Shami hat ihn mit nachhause genommen, wo er mehr Ruhe hat als im Shelter, wo es warm ist und wo der Tierarzt schnell nach ihm schauen kann. Das alles wusste ich, bevor ich nach Zypern kam. Immer wenn die Sonne scheint, nimmt Shami ihn mit ins Shelter, damit er an seinem Lieblingsplatz in der Sonne liegen und schauen kann. Wenn es Zeit für Jango ist, sein Geschäft zu machen, hilft ihm Shami ins Gras und trägt ihn wieder zurück. Das alles erlebe ich mit an meinem ersten Shelter-Tag. Ich muss heulen, vor Mitgefühl mit Jango und vor Rührung, wie liebevoll Shami und Sunnji mit ihm umgehen, alles tun, um ihm die letzte Zeit seines Lebens zu erleichtern. Zwei Tage, nachdem ich wieder in Köln bin, kommt morgens eine SMS: Jango ist in der Nacht für immer eingeschlafen.

Am Ende meines Reiseberichtes eine großes Danke an Barbara und Susi und an Shami und Sunnji für die unvergessliche Woche und alles, was Ihr Tag für Tag für die Zypernhunde leistet. Euch als Freunde zu haben, macht mich froh!